Nazis in Brasilien
Vorheriger Artikel Nächster Artikel

Nazis abroad

Dokumentation "Luteranos Brasil" - Teil 14

Der Augenzeugenbericht eines Auslandskorrespondenten in der “New York Times” aus dem Jahr 1937 wirft Licht auf ein Südbrasilien, das den Nährboden des deutschen Nationalsozialismus in Brasilien fanatisch und ungebremst kultiviert:  

Nazis im Ausland – Ein Blick nach Brasilien

New York Times Artikel 1937

Von einem Korrespondenten kürzlich in Brasilien

In Brasilien zeigt sich beispielhaft, auf welche Weise deutsche Staatsbürger im Ausland von der Auslands-Organisation des Deutschen Auswärtigen Amtes, die momentan einen Kongress in Stuttgart abhält, zu Nazi-Gemeinschaften geformt werden. In den beiden südlichsten Staaten der brasilianischen Republik, Santa Catharina und Rio Grande do Sul, gibt es grosse Siedlungen von Deutschen und Nachkommen von Deutschen. Diese „deutschen Kolonien“ wurden schon lange vor dem Ersten Weltkrieg, und mehr noch seit Beginn des Hitlerregimes, von Deutschland aus sorgfältig gepflegt. In vielen Bezirken im Süden und in Städten wie Blumenau und Joinville versteht ein Grossteil der Bevölkerung nichts ausser deutsch. 

Durch subventionierte Schulen, verwaltet von Professoren und Lehrern, die aus Deutschland entsandt wurden, und durch subventionierte patriotische Gesellschaften wurde das deutsche Nationalgefühl unermüdlich gefördert. Seit jeher wurde einer grossen Mehrheit der in Brasilien geborenen Nachkommen deutscher Kolonisten beigebracht, dass sie Deutschland und nicht Brasilien zur Treue verpflichtet sind – und so empfanden sie auch. Diese Verhältnisse existierten bereits vor dem Krieg. Es wurden zwar Gesetze verabschiedet, dass der Schulunterricht in der Landessprache und nicht in Deutsch gehalten werden muss, aber solche Gesetze wurden von vielen missachtet. […]

Typisch für das, was jetzt in Brasilien geschieht, sind die Fälle von Blumenau (in Santa Catharina) und Porto Alegre (die Hauptstadt von Rio Grande do Sul). Der grösste Teil der brasilianischen – nicht nur der deutschen – Jugend in Blumenau ist verpflichtet, der Hitlerjugend anzugehören. Ihr Treueeid muss alle zwei Monate erneuert werden. Regelmässige Feste werden mit teutonischer Gründlichkeit organisiert. Jedes Jahr werden obligatorische Winterhilfssammlungen durchgeführt. Die Hälfte des gesammelten Geldes geht nach Deutschland, die andere Hälfte bleibt in Brasilien in den Händen der Nazi-Agenten, die den Spendern keine Rechenschaft ablegen, wohin das Geld fliesst. Ein Vertreter des Hitlerregimes wurde vor kurzem mit einer Vollmacht nach Brasilien geschickt. Seine Mission ist es, sowohl die Aktivitäten der Deutschen als auch die der Brasilianer im Süden zu kontrollieren, da die in Brasilien geborenen Deutschen der dritten und vierten Generation von den deutschen Behörden als Deutsche betrachtet werden. Der Nazi-Abgesandte im Süden Brasiliens ist Herr Friedrich Thiess. Er ist unmittelbarer Agent der Nazi-Partei. Drei weitere „Generalagenten“ wurden von Berlin ebenfalls kürzlich nach Brasilien berufen. Jedes Jahr werden Kinder ausgewählt, um nach Deutschland geschickt und „in den Geist Hitlers integriert“ zu werden. Die Kosten für ihre Rückreise und ihren Aufenthalt in Deutschland werden vom Reich beglichen. Auch junge Männer und Mädchen im Alter von 16 bis 18 Jahren werden nach Deutschland geschickt, wo sie zu Jugendführern (Führer der Hitlerjugend) für Brasilien ausgebildet werden. Umfangreiches Propagandamaterial wird von Herrn Thiess und seinen Untergebenen in den Häusern verteilt. Fast alle Schulen im Süden werden von der deutschen Regierung subventioniert. Ihr Programm lautet, alles Brasilianische zu unterdrücken und alles Deutsche hervorzuheben. […]

Deutsche Babys in Brasilien

Im Süden Brasiliens wird öffentlich verkündet, dass Deutschland eine Bevölkerung von 100’000’000 Menschen anstrebt. Deutsche in Übersee werden dazu gedrängt, das Vaterland in seinen Bemühungen um Vergrösserung und Vermehrung zu unterstützen. Es werden Belohnungen für grosse Familien in Aussicht gestellt. Da aber die in Brasilien geborenen Kinder – selbst die der glühendsten Nazi-Eltern – rechtlich als Brasilianer gelten, wurden Schritte unternommen, damit Nazi-Babys, die „lebendig in diese Welt geboren werden“, mit dem rechtlichen Status als Deutsche das Leben beginnen. Deutsche Schiffe, die brasilianische Häfen anlaufen, haben die Anweisung, deutsche oder deutschstämmige werdende Mütter an Bord zu nehmen, damit das Kind unter deutscher Flagge geboren werden kann. Junge Männer deutscher Herkunft werden dazu angehalten, blonde deutsche Jungfrauen zu bevorzugen. Ein fürsorgliches Regime verpflichtet sich dazu, für angehende Bräutigame die reinsten Arierinnen zu exportieren, die dafür ordnungsgemäss mit einem offiziellen Nachweis ausgestattet sind. Alles, was auf dem Land-, See-, ja sogar auf dem Postweg nach Blumenau gelangt, unterliegt der Kontrolle der Agenten der NSDAP, deren Zensur die strengste ist. […]

Wochenblatt der NSDAP für Brasilien: Deutscher Morgen

Bildnachweis:
Titelbild: Crianças da Juventude Hitlerista fazem a saudação ao Führer. No cartaz se lê: „Unser Deutschland – Sieg Heil! Unser Führer – Sieg Heil!“. Foto tirada em Presidente Bernardes, interior do estado de São Paulo, Brasil.
Nazis Abroad – Artikel der New York Times 1937
Zeitung Deutscher Morgen, 1932


Nächster Artikel Brasilien wehrt sich

Brasilien wehrt sich

Vorheriger Artikel

"Zutritt verboten!"

Zurück zur Übersicht