Estado Novo in Brasilien
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Brasilien wehrt sich

Dokumentation "Luteranos Brasil" - Teil 15

Estado Novo

In den Jahren 1936 und 1937 gehen die brasilianischen Behörden davon aus, dass die meisten Deutschen und Deutschstämmigen im Süden Brasiliens Nationalsozialisten sind. Doch bis 1937 unternehmen sie nichts gegen deren rapide Ausbreitung. Erst mit dem Staatsstreich Getúlio Vargas und der Gründung des „Estado Novo“ am 10. November 1937 setzen strenge Nationalisierungsmassnahmen ein. Viele lutherische Schulen werden geschlossen und deutsche Lehrer ihres Amtes enthoben. Die Unterrichtssprache Deutsch wird verboten, auch in der Öffentlichkeit darf kein Deutsch mehr gesprochen werden.1

Am 8. Mai 1938 erreichen diese Massnahmen die Stadt Canoinhas: Pfarrer Georg Weger, Ehefrau Anna und Schwester Babette werden durch die brasilianische Regierung aus ihren Positionen entfernt. „Über kurz oder lang, würden alle deutschen Kulturwerke vernichtet sein“, schreibt Weger verbittert über das Einsetzen der brasilianischen Nationalisierung. Als bisheriger Schulleiter sei er und seine Frau „durch einen Gewaltakt abgesetzt [worden], obwohl die besten Zeugnisse seitens der Behörden vorlagen“.2

Brasilien erklärt den Krieg

Die deutschen Kolonien in Suedbrasilien

Als Brasilien am 22. August 1942 Deutschland den Krieg erklärt, geht die brasilianische Regierung gegen die Deutschen und Deutschstämmigen in Brasilien zielstrebig vor – vor allem in den Gebieten um Joinville und Blumenau. Deklarierte Nazis müssen das Land verlassen, deutsche lutherische Pfarrer werden als Reichsdeutsche interniert.3

Im Jahre 1944 ergeht im Deutschen Reich ein Brief des Bayreuther Dekans August Ammon an den Rektor der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen:  

Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass die jungen Missionare und Diasporageistlichen, die Dr. Eppelein ausgebildet hat, unter seinem Einfluss und nach seinem Vorbilde als Vorkämpfer des neuen Deutschland nach Übersee (Neuguinea, Brasilien) gegangen sind. Sie sitzen heute um ihres Bekenntnisses zum Führer und ihrer Parteizugehörigkeit willen in feindlichen Konzentrationslagern.

Brief des Dekan August Ammon an den Rektor der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen, 1944

Unter ihnen finden sich viele Freunde von Brasilienpfarrer Georg Weger: Ferdinand Schlünzen, Georg Balbach, Hermann Waidner – deutsche Pfarrerkollegen in Brasilien, die neben ihrem Gesinnungs-Nationalsozialismus überzeugte Mitglieder der NSDAP, der SA, der Deutschen Christen (DC) und anderer Naziorganisationen sind.

Die Massnahmen der brasilianischen Regierung waren notwendig, um den organisierten Nationalsozialismus in Südbrasilien einzudämmen – der ideologische hingegen liess sich auf diese Weise nicht stoppen.

1 vgl. Backhouse, Martin/Zeller, Hans (Hrsg.): Aufbruch in Grenzen. Von der Migrationskirche zur lutherischen Kirche in Brasilien. 2016, S. 105-106
2 vgl. Lutherische Kirche in Brasilien 1905-1955, S. 111
3 vgl. Backhouse, Martin/Zeller, Hans (Hrsg.): Aufbruch in Grenzen. Von der Migrationskirche zur lutherischen Kirche in Brasilien. 2016, S. 112

Bildnachweis:
Titelbild: Propaganda do Estado Novo
Bibliothek allgemeinen und praktischen Wissens für Militäranwärter Band I, 1905 / Deutsches Verlagshaus Bong & Co Berlin: Historical map of German colonies at South Brazil (1905)


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