Antisemitismus in Neuendettelsau
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„Zutritt verboten!“

Dokumentation "Luteranos Brasil" - Teil 13

Besuch im Deutschen Reich

1934 bereist Pfarrer Georg Weger mit seiner Frau Anna und seinen beiden Kindern Willy und Annemarie1 das neue Deutschland“, wie aus seinem Briefwechsel mit Eppelein hervorgeht.

Brief von Georg Weger an Dr. Friedrich Eppelein

Sehr verehrter Herr Missions-Direktor!

Werden Sie wohl nicht etwas erschrocken sein bei Empfang der Nachricht, daß gleich 5 bras. Pastoren-Familien das neue Deutschland „heimsuchen“ wollen? Zu den glückl. Urlaubern zählen: P. Fugmann mit Fam.2, P. Mittelmeier mit Fam., P. H. Müller mit Fam., Frau P. Kuhr mit Fam. u. wir, im ganzen 21 1/2 Passagen. – Das gibt ein frohes Rüsten u. Vorbereiten! u. ein frohes Wiedersehn!

Brief von Georg Weger an Missionsdirektor F. Eppelein, 1934

Rundgang durch die Stadt

Die Lutheraner Neuendettelsaus ereifern sich unter der Büste Wilhelm Löhes um die Judenfreiheit der lutherischen Wirkstätte.

„Juden haben in dieser Ortschaft keinen Zutritt!“ – machen Tafeln an den Ortseingängen unmissverständlich klar. Sie zeigen den Kurs der evangelisch-lutherischen Hochburg Neuendettelsaus. NSDAP-Ortsgruppenführer Adolf Trauenfelder, enger Freund Friedrich Eppeleins und späterer Neuendettelsauer Bürgermeister, hat sich zum Ziel gesetzt: Die Ausschaltung der Juden aus dem Volksleben vor Ort zu verwirklichen.3 Die lutherische Missionsanstalt unterstützt ihn dabei tatkräftig. 

Getreu den Worten des ‘Reformators‘ Martin Luther:

Pfu euch hier und pfu euch dort und wo ihr seid, ihr verdammten Juden […] Ihr solltet allein die Biblia lesen, die der Sau unter dem Schwanz steht, und die Buchstaben, so da selbst herausfallen, fressen und saufen. […] Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding, dass sie 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen […]; Man sollte ihre Synagogen und Schulen mit Feuer anstecken, […] unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien, […] ihre Häuser desgleichen zerbrechen und zerstören. Darum, wo du einen rechten Juden siehst, magst du mit gutem Gewissen ein Kreuz für dich schlagen und frei und sicher sprechen: Da geht ein leibhaftiger Teufel.

D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausg., Abteilung 1: Schriften, Weimar 1883ff., Band 53, 478 + 528 + 523 + 479

Der Stürmerkasten

An der Gastwirtschaft Friedmann ist der „Stürmerkasten“ angebracht, auf dessen Rahmen mit grossen weissen Lettern geschrieben steht:

Ohne Lösung der Judenfrage keine Erlösung Deutschlands.
Die Juden – unser Unglück. Wer beim Juden kauft, ist ein Volksverräter.

In selbstzufriedener Genugtuung können hier die Dettelsauer die aktuellste Ausgabe der Nürnberger pornografisch-antisemitischen Wochenzeitung „Der Stürmer“ des NSDAP-Gauleiters von Franken, Julius Streicher, lesen.4

Der Stürmer 1934

Zu Ehren des Führers

Ein weiteres Wahrzeichen der Stadt: Die Hitler-Eiche, die am 7. Mai 1933 zu Ehren des Reichskanzlers auf einem Grundstück der Diakonissenanstalt in festlicher Zeremonie eingepflanzt wurde.5

Viele Volksgenossen der Missionsanstalt treten der NSDAP bei – allen voran am 1. Mai 1933 Georg Wegers gute Freunde: Missionsdirektor Friedrich Eppelein und Missionsinspektor Christian Keyßer. 

Ich bin, sobald es mein Amt als Leiter des Neuendettelsauer Missionswerkes möglich machte, auch der NSDAP beigetreten. Gerade durch dieses Bekenntnis wollte ich u.a. den Volksgenossen und Freunden beweisen, dass sich die Zugehörigkeit zur NSDAP wohl vereinigen lasse zur Treue zum lutherischen Bekenntnis.

Brief von Dr. F. Eppelein an den Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten, 1935

In den folgenden Jahren forciert Eppelein den Beitritt seiner Schüler zur SA und etabliert einen eigenen SA-Missionstrupp. 

SA Missionstrupp Neuendettelsau

Unser Führer Adolf Hitler kennt keine faulen Kompromisse! Das ganze deutsche Volk hinter dem Führer Adolf Hitler, die ganze Deutsche Evangelische Kirche hinter Martin Luther! Politisch ganz hinter Hitler, kirchlich ganz hinter Luther.

Friedrich Eppelein im Freimund, 21. September 1933

1 Anm.: Annemarie Weger heiratet im Jahr 1950 den deutschstämmigen Flugzeugtechniker Carlos Wunderlich und lebt seither mit ihrer Familie in São Paulo. Sie ist die Mutter von Carin Horst (geb. Wunderlich).
2 Anm.: Pfarrer Wilhelm und Magdalena Fugmann (Eltern von Christian Keyßers Schwiegersohn, der als Schatzmeister des NSDAP Stützpunktes in Neuguinea fungierte) sympathisierten stark mit der deutschen Volksbewegung und setzen „grosse Hoffnungen auf das Regime bezüglich der Wiederaufrichtung von Volk und Land ihres Ursprungs.“ In dieser brennenden Erwartung besuchten sie während ihrer Reise die Reichshauptstadt Berlin. (s. Backhouse, Martin/Zeller, Hans (Hrsg.): Aufbruch in Grenzen. Von der Migrationskirche zur lutherischen Kirche in Brasilien. 2016, S. 71)
3 vgl. Rössler, Hans: Nationalsozialismus in der fränkischen Provinz: Neuendettelsau unterm Hakenkreuz. 2018, S. 97
4 vgl. ebd. S. 84
5 vgl. ebd. S. 88

Bildnachweis:
Titelbild: Zentralarchiv der Diakonie Neuendettelsau
Zeitschrift „Der Stürmer“, Sonderausgabe 1934
SA-Missionstrupp – Bildbeilage des Freimund, 1935


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