Wir schreiben die 1930er Jahre, als NS-Missionsdirektor Friedrich Eppelein den brasilianischen Luteranos das Rüstzeug gegen ausserkirchliche Einflüsse vermittelt: apologetische Kampfstrategien. Unter seinen Schülern sitzt Pfarrer Georg Weger. Er wird ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein beweisen und sich als feuriger Multiplikator des Luther-Hitler-Komplexes darstellen.
Drei Jahrzehnte später werden die Studierenden an der Theologischen Hochschule São Leopoldo in diesem Sinne im „gründlichen Studium der anderen christlichen Kirchen und der Sekten Brasiliens“1 geschult. Einer von ihnen ist Student Rubens Horst, der einige Jahre später in São Paulo auf Pfarrer Georg Weger und seine Enkelin Carin Wunderlich treffen wird. Rubens und Carin heiraten 19702 – eine Fusion zweier Luteranos, hochexplosiver Sprengstoff im Kampf für die deutsch-lutherische Ideologie.
In den 90ern führen sie diesen Kampf im Rahmen eines ELKB3-finanzierten Partnerschaftsprogramms in Bayreuth. Lehre, Lebensart, Sprache, Kultur, die Ideologie des Luther-Hitler-Komplexes: Was vor vielen Jahren über den Ozean gebracht wurde, kehrt nun zu seinem Ursprung zurück.
Bayreuth, März 1990 – die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern tagt. In seiner Antrittsrede rühmt sich der Luterano Rubens Horst seiner deutschen Wurzeln:
Prezados Irmãos em Christo, sagen wir in Brasilien, wörtlich übersetzt, liebe Geschwister in dem Herrn. Zuvor einiges Persönliches: Seit dem 1. März bin ich, zusammen mit der Familie, für sechs Jahre in der Kirchengemeinde St. Georgen, Bayreuth tätig. […] Aber dazu muss ich doch sagen: Ich bin nicht zufällig in Bayern bzw. Franken gelandet. Das war unser Wunsch, Wunsch der Familie. Sie fragen bestimmt warum. Dazu zwei Sachen: 1. Weil die Grosseltern meiner Frau, Familie Weger, Pfarrer Georg Weger, 1922 aus Neuendettelsau nach Brasilien kam als Pfarrer und 2. weil fast alle deutschen Pfarrer, die wir in Brasilien kannten, aus Bayern bzw. Franken waren. Diese Pfarrer, die uns getauft und konfirmiert haben, brachten nicht nur das Wort, die Predigt, die Lehre, sondern sie brachten auch ihre Lebensart – Sprache, Kultur – nach Brasilien. Das markierte uns, gab uns Mut, auch alles zurückzulassen und von der Erfahrung des gelebten Glaubens in Brasilien etwas hierher zu bringen und hier zu leben. Das, was uns in Brasilien geprägt hat, wollen wir nun der Gemeindearbeit in Bayreuth zur Verfügung stellen. […]
Auszug aus der Antrittsrede Pfarrer Rubens Horsts, Landessynode der ELKB, März 1990 in Bayreuth
1 In: Bericht über die Theologische Fakultät São Leopoldo, 1969
2 In: Joinville Luterano Nov/Dez 2016
3 ELKB: Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern
Bildnachweis:
Titelbild: Bayreuth