Brasilienpfarrer Georg Weger
Georg Weger, Carin Horsts Grossvater und gebürtiger Neuendettelsauer, besucht von 1913 bis 1921 die dort ansässige Missionsanstalt mit der Selbstbezeichnung „Gesellschaft für Innere und Äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche“.
Neuendettelsau?
Was ist das, dieses kleine mittelfränkische Nest?
Es würde in völliger Bedeutungslosigkeit versinken, wäre da nicht Mitte des 19. Jahrhunderts der lutherische Pfarrer Wilhelm Löhe gewesen, der den armseligen Ort in den „Glanzpunkt der Bayerischen Landeskirche“1 – in das „Evangelische Rom“2 verwandelt hatte.
Löhes „Zuruf aus der Heimat“3 an die nordamerikanischen deutschen Glaubensgenossen bildet den ideologischen Kern der Neuendettelsauer Missionsanstalt:
Ihr seid Deutsche! Eine schöne Sprache habt Ihr über den Ocean gerettet. Im Gewirr der Sprachen, die man jenseits spricht, ist keine schöner. Behaltet, was Ihr habet. Ihr habet durch Gottes Gnade das gute Theil. Vertauscht Eure Sprache nicht mit der des Engländers; Ihr machet nur schlechten Tausch. Wer wird Reichtum für Armut, Wohllaut für Übellaut, Gestalt für Schatten eintauschen? […] In Euern Kirchen, in Euern Synoden lebe und herrsche die deutsche Sprache Eurer deutschen Kirche […] Ferne aber bleibe von Euch die Strafe, die sich an Verachtung Eurer Muttersprache knüpft. Denn wahrlich ein Deutscher, der nicht deutsch ist, ist ein gestrafter Mann auf Erden, weil ihm alle Privilegien, die ihm Gott vor den Nationen aus Gnaden gab, entwendet – und mit nichts erstattet werden!
Wilhelm Löhe – „Zuruf aus der Heimat“, 1845
Canoinhas
Dieser Zuruf eilt Pfarrer Georg Weger voraus, als er im Herbst 1922 mit seiner ’Missionsbraut‘ Anna an Deck des Dampfers Tucuman den Hamburger Hafen Richtung Südbrasilien verlässt. Die Missionsanstalt Neuendettelsau sendet ihn als sogenannten Brasilienpfarrer nach Canoinhas, einer Kleinstadt im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina. Sein Auftrag ist klar: Die „über alle Zweifel erhabene“4 lutherische Identität festigen.
Drei Monate nach seiner Ankunft gründet Georg Weger die erste deutsche Kirchenschule in Canoinhas. Kirchenschulen sind für die Deutschen in Brasilien die Einrichtung deutschen Lebens schlechthin und treibende Kraft für die Pflege und die Erhaltung des Deutschtums.
1 Website der Evang.-Luth. Kirchengemeinde St. Nicolai Neuendettelsau: Von der „Bettelhöhe“ zum „Evangelischen Rom“ (zuletzt gesehen am 20.10.2020)
2 ebd.
3 Zuruf aus der Heimat an die deutsch-lutherische Kirche Nordamericas, Stuttgart 1845
4 Aus der „Stellenbeschreibung“ für lutherische Brasilienpfarrer. In: Backhouse, Martin/Zeller, Hans (Hrsg.): Aufbruch in Grenzen. Von der Migrationskirche zur lutherischen Kirche in Brasilien. 2016, S. 6-7
Bildnachweis:
Titelbild: Lorenz Ritter: Kupferstich der Kirche und Pfarrhaus Neuendettelsau zur Zeit Löhes; IECLB Canoinhas
Wilhelm Löhe (1808 – 1872) – Archiv Mützelfeldt
Zuruf aus der Heimat – Wilhelm Löhe 1845
Map locator of Santa Catarina’s Canoinhas city – Raphael Lorenzeto de Abreu