Es gehört zum Allgemeinwissen, dass Bayreuth während des Dritten Reiches Hitlers Hochburg und Brennpunkt antisemitischer Gesinnungen war.
Im Rahmen einer wissenschaftlich-historischen Aufarbeitung befasse ich mich intensiv mit dieser Thematik und stellte fest: Der Nationalsozialismus hat im Hause Ditmar-Runyai in Bayreuth Tradition.
Ich kann die heutige Generation sehr gut verstehen. Die Enkel und Urenkel der Naziverbrecher haben viele Fragen und bekommen nur in den seltensten Fällen Antworten. Sie sind wie ich Teil einer betrogenen Generation, die sich mit Teilen ihres Lebens nicht aufrichtig auseinander setzen können.
Ich selbst bin Vater wunderbarer Kinder und möchte nicht, dass sie Opfer von Menschenverachtung und Antisemitismus werden und dieselbe Verfolgung erleben müssen wie ich durch meine Eltern in Bayreuth.
Es tut mir im Herzen leid für alle, die durch meine Vorfahren ermordet und in ihrer Existenz ruiniert und vernichtet wurden.
Ditmar – ein Kriegsverbrecher
Der Vater meiner Mutter, mein Ditmar-Opa, war SS-Obersturmführer und Gauhauptstellenleiter der NSDAP in der Bayreuther Gauleitung. Voller Stolz trug er die schwarze Uniform durch die Strassen der ‘braunen’ Stadt – sorgfältig bemüht, diese von politischen Gegnern zu ‘säubern’. 1948 wurde er im Entnazifizierungsverfahren als Kriegsverbrecher in die höchste Gruppe der „Hauptschuldigen“ eingestuft. Durch über ein Dutzend ‘Persilscheine’ seiner Gleichgesinnten sollte er sich seiner Verantwortung entziehen und als „Mitläufer“ davonkommen. Seinem Schwur „Treue und Gehorsam, dem Führer bis in den Tod“ blieb er zeitlebens loyal ergeben.
Siebenbürgens Naziführungs-Elite
Als Spross einer lutherisch-deutschnational durchseuchten Familie wuchs meine Ditmar-Oma – eine geborene Scheiner – in Siebenbürgen auf. Es ist erschreckend, in ihrem Stammbaum den schlimmsten Nazifunktionären Siebenbürgens zu begegnen. Deren Sitte war es, sich freiwillig zur Waffen-SS zu melden – so wie ihr Schwager Walter May. Als Propagandaleiter in Kronstadt war er Mitglied der NS-Führungsriege in Siebenbürgen und einer der engsten Vertrauten des Volksgruppenführers Andreas Schmidt. Beide sorgten dafür, dass die Deutsche Volksgruppe zu einer autoritären Führerbewegung umfunktioniert wurde. Den Schwerpunkt seines Amtes für Presse und Propaganda setzte er darin, das „deutsche Wesen“ von allen fremden Einflüssen zu schützen. Parallel zu Joseph Goebbels in Hitlerdeutschland war er mit seiner hetzerischen Propaganda massgeblich an der Rekrutierung junger Männer für die deutsche Kampfelite in Siebenbürgen beteiligt.
Was wäre das alles wert, wenn nicht ein Pfarrer der lutherischen Kirche hierzu seinen Segen geben würde? Der in die Familie eingeheiratete Wilhelm Staedel verkündete als Nazi-Bischof in Hermannstadt, die Siebenbürger Sachsen müssten dem deutschen Gott danken, dass er ihnen Hitler geschenkt hatte – was die meisten von ihnen mit Überzeugung taten. Sein antisemitisches „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ arbeitete mit Hochdruck daran, die Bibel zu zensieren und die meisten Teile des Alten Testaments zu eliminieren.
„Das schaust du nicht an – der ist Jude!“
Fernsehsendungen mit jüdischen Moderatoren waren in meiner Familie im Zuge der ‘deutschen Demokratie’ verboten. „Das schaust du nicht an, der ist Jude!“, schmetterte mir Ditmar-Oma aggressiv entgegen. Noch bis zu ihrem Tod im Jahr 2010 hatte sie die „Nationalzeitung“ abonniert und las vergnügt das rechtsextreme Hetzblatt. Ein Schreiben der NSDAP war ihr ganzer Stolz:
„Sie zeigt Interesse an dem heutigen Deutschland und verfolgt mit sehr viel Liebe und Achtung die Reden des Führers und das gesamte Geschehen innerhalb und außerhalb unseres Vaterlandes.“
Gauleitung Schwaben – Amt für Erzieher (NSLB) 1941
Die Nazi-Spuren überdauerten – sie war und blieb glühende Hitleranhängerin bis zu ihrem Tod.
Auf Familienfeiern war ganz ‘normal’, dass regelmässig über Ausländer, Andersdenkende oder ‘Zigeuner’ hergezogen und gegen sie gehetzt wurde. Bemerkungen wie „Beim Adolf hätte es das nicht gegeben…“ waren typisch für die Gespräche.
Sachsentreffen
Um das kulturelle Gedankengut (!) an mich weiterzugeben, sollte ich als Jugendlicher meine Oma auf verschiedene Anlässe der Siebenbürger Sachsen in Bayreuth begleiten. In ihrer Nostalgie stimmten sie und ihre beste Freundin K. Schüller, Mesnerin der Evang.-Ref. Kirche in der Erlangerstrasse, dort so manch verbotenes Lied an. Es war ein offenes Geheimnis, dass Schüllers Lebensinhalt darin bestand, ihre Landsleute zu verunglimpfen und zu denunzieren, um ihre krankhafte Sucht nach Macht, Ansehen und Geld zu befriedigen, sowohl in Bayreuth wie auch in Siebenbürgen. Immer mit dabei und Teil dieser merkwürdigen Gesellschaft: ihr Schwiegersohn und Mesner der Ordenskirche, ein gewisser Gottschling – ohne Beruf, aber Partei- und Securitate-Aktivist im kommunistischen Siebenbürgen.
Heute frage ich mich: Wie ist es möglich, dass Steuergelder für das Wirken solch obskurer Gestalten verwendet werden?
Rufmord
Nachdem ich als junger Mann das Recht in Anspruch nahm, mein Leben in Freiheit zu gestalten, und aus der lutherischen Kirche austrat, brach der oberfränkische Bauernantisemitismus gegen mich los. Mit der Entscheidung, mich dem Christlichen Centrum Rhema und damit der Wort-des-Glaubens-Bewegung anzuschliessen, bekam ich die ganze Wucht der tradierten NS-Ideologie in meiner Familie zu spüren: Ich wurde enterbt und aus ihren Familienbüchern gelöscht.
Zu meinem Entsetzen beteiligten sich meine Eltern an der Rufmordkampagne gegen das CCR. Diese sinnlosen, faschistischen Aktionen gaben ihrem Leben einen Sinn.
Den erbittert religiösen und wahrheitsfeindlichen Rahmen, den meine Eltern im Zusammenwirken mit selbsternannten ‘Koryphäen’ lieferten, gab es woanders nicht. Gemeinsam mit Rubens Horst, dem lutherischen Pfarrer der Ordenskirche, Dr. Heidi Schönfeld, einer Religionslehrerin und Sektenbeauftragten, von der gemunkelt wird, sie habe den Doktortitel auf mysteriöse Weise erhalten, der Holocaust-Leugnerin Hedwig Holley und Sektenpfarrer Bernhard Wolf, in Bayreuth berühmt-berüchtigt für sein für immer zweifelhaftes Forschungsinstitut für neue Religiosität an der dortigen Universität, schufen sie ein klares Feindbild, das so nur im braunen Bayreuth existiert.
Wegen diesen Zusammenhängen, ihren Praktiken und ihrem Verfolgungswahn habe ich mich von den Runyai-Roots endgültig befreit. Seit vielen Jahren lebe ich glücklich in der Schweiz.
Mit freundlicher Genehmigung von Andreas Runyai (runyai.com), Projektmanagement Never Give Up
Juni, 2020