Die Anfänge der deutschen Einwanderung nach Brasilien liegen fast 200 Jahre zurück. Seit 1824 lassen sich im Süden des Landes immer mehr Deutsche in völkisch einheitlichen Siedlungen nieder, die nach dem Zweiten Weltkrieg ein Refugium für Naziverbrecher werden sollten. Deutsche Sprache, deutsche Sitten, deutscher ‘Glaube‘ – eine Vermischung mit der Bevölkerung Brasiliens ist für sie ausgeschlossen.1
In lutherischer Kampfmanier werden hastig ev.-luth. Kirchen als Bollwerke gegen ‘gefährliche‘ fremdartige Einflüsse errichtet. Der Deutsch-Theologe und Brasilienpfarrer Wilhelm Rotermund macht die Verschmelzung von Deutschtum und Luthertum in Brasilien unmissverständlich klar:
Wer aufhört, evangelisch zu fühlen und zu denken, hört auch auf deutsch zu sein; und umgekehrt: wer deutsche Sprache und deutsches Wesen verleugnet, wird auch unserer Kirche verloren gehen. Kirche und Deutschtum sind auf Leben und Tod miteinander verbunden.
Deutscher Theologe und Pfarrer in Brasilien Wilhelm Rotermund, 1936. In: Dreher, Martin: Kirche und Deutschtum in der Entwicklung der evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien, 1978, S. 84
Den lutherischen Kirchenschulen obliegt die Durchsetzung der Gesellschaft mit germanischem Geist. Es ist die Voraussetzung ihrer eigenen lutherischen Existenz – auf Leben und Tod sind beide miteinander verbunden. Gleichzeitig sind die Kirchenschulen Garanten für die Hochzüchtung des rassereinen Deutschtums in Brasilien.
Für unsere Arbeit in Brasilien gehört zweierlei zusammen: deutsch und lutherisch – und Kirche und Schule. Die Volkstumspflege ist wichtig für die Erhaltung unserer Kirche und umgekehrt. […] In Brasilien geht das Volkstum unter, wo nicht Kirche und Schule es in Pflege nehmen.
„Deutsche in Brasilien“ von Pastor F. Schlünzen 1936, S. 18
Die staatlichen Ideologien des Herrenmenschentums, der Überlegenheit der arischen Rasse und der Reinhaltung deutschen Blutes finden ihre religiöse Entsprechung in der Reinhaltung lutherischer Lehre. Die miteinander verschmelzenden Extreme zeichnen sich durch die Wahnvorstellung einer übergriffigen Vorherrschaft aus, in der die eigene Existenz nur durch radikale Ausgrenzung und Zerstörung anderer vorstellbar ist.
Während die biologische Blutsreinheit heute kaum mehr konsensfähig erscheint, ist der ideologische Unterbau der lutherischen Identität im Sinne eines religiösen „Herrenmenschentums” bis heute ungebrochen. Diese Identität zeigt sich in einer Attitüde von Verachtung, Hass, Arroganz und Neid:
1934
Bei diesem mehr oder minderen Nebeneinander von Deutschen und Brasilianern tritt der grundsätzliche Gegensatz leicht hervor. Am schärfsten wohl bei Tanzfesten. Der Brasilianer glaubt ein Recht auf deutschstämmige Mädchen zu haben, umsomehr als er weiß, daß man ihn aus rassischem Empfinden und um seiner sittlichen Charakterlosigkeit willen nicht mag, ja verabscheut.
[…] Von Seiten des niederen Volkes [der Brasilianer] macht sich diese Empfindung manchmal in direkten Anfeindungen Luft, doch braucht man vorläufig noch keine zu große Sorge vor einer direkten Vergewaltigung haben.
[…] Innerhalb von reichlich 20 Jahren haben sie [die Deutschen] dort, wo sonst nur schwarzes Gesindel wohnte, blühende Kolonien angelegt.
Brasilienpfarrer Gotthard Grottke, In: Freimund, 9. August 1934
2017
Im schlimmsten Fall waschen diese Charismatiker ihren Anhängern das Hirn und nehmen ihnen so viel Geld wie möglich ab. Reichtum wird als Zeichen der Liebe Gottes gedeutet, die Ansichten sind äusserst konservativ: gegen Alkohol, Sex vor der Ehe, Abtreibung, Homosexualität und oft auch gegen andere Religionen […]. Klar also, dass sich die evangelische Kirche von diesem Humbug absetzen will und ihre Herkunft, also Martin Luther, betont.
Kirche in Brasilien: Was heißt hier evangelisch? In: Sonntagsblatt, 360° Evangelisch, 2017
Es ist kaum vorstellbar, wie sich dieser Hass im deutschen Luthertum gegen verschiedene charismatische Bewegungen bis heute manifestiert!
1 Borchert, Hermann: „Denn während die Deutschen in Nordamerika sich schnell mit der anglo-sächsischen Rasse amalgamieren, hat sich die deutsche Nationalität hier seit vierzig Jahren unvermischt erhalten, und wird sich bei der Verschiedenheit des deutschen und portugiesischen Charakters auch fernerhin unvermischt erhalten.“ In: Dreher, Martin Norberto: Kirche und Deutschtum in der Entwicklung der evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien, 1978, S. 71
Bildnachweis:
Titelbild: Freimund, Bilderbeilage zum Jahresfest des Martin Luther-Vereins in Bayern, 1934. Unter dem Titel: So pflegt das Brasilianische Hilfswerk des Martin Lutherbundes lutherisches Kirchentum und deutsches Volkstum durch Sendboten vor allem des Neuendettelsauer Missions- und Diasporaseminars [Pfarrer Georg Weger].
Georg Wegers deutsch-lutherische Gemeindeschule in Canoinhas. In: Freimund, Bilderbeilage zum Jahresfest des Martin Luther-Vereins in Bayern, 1934.